Bei einer CKD geht es darum, wie gut deine Nieren langfristig arbeiten. Die Progression beschreibt den schleichenden Verlust dieser Nierenfunktion über längere Zeit. Oft schreitet die Erkrankung zunächst unbemerkt voran. Während du dich körperlich noch fit fühlst, kann die Filterleistung deiner Nieren bereits abnehmen. Das ist kein Grund zur Panik, aber ein klares Signal zur Handlung: Ziel der Therapie ist es immer, den Fortschritt der Nierenerkrankung zu verlangsamen. Das ist in vielen Fällen gut möglich.
Was genau ist die Nierenfunktion?
Die Nierenfunktion wird in der Regel über den Laborwert der geschätzten glomeruläre Filtrationsrate (=eGFR) gemessen. Die eGFR wird in der Einheit mL/min/1,73 m² (oder zur Vereinfachung in mL/min) gemessen und liegt bei gesunden Menschen in der Regel über 90 mL/min/1,73 m². Die eGFR zeigt also wie gut die Nieren funktionieren und das Blut filtern.
Nicht jeder Abfall der Nierenfunktion - oder der eGFR - ist aber ein Grund zur Sorge. Ab einem Alter von 30 bis 40 Jahren sinkt die Nierenfunktion auch bei gesunden Menschen jedes Jahr leicht ab. In der Regel liegt dieser “normale” Abfall der eGFR bei gesunden Menschen bei etwa 0,75 bis 1 mL/min/1,73 m² pro Jahr. Bei Menschen im fortgeschrittenen Alter ist eine eGFR von unter 90 mL/min/1,73 m² nicht immer auch ein Problem.
Wann spricht man von einer CKD?
Liegt die eGFR zwischen 60 und 90 mL/min/1,73 m² und es liegt eine erhöhte Konzentration von Eiweißen im Urin vor, spricht das in der Regel für eine Schädigung des Nierenfilters. Spätestens wenn die eGFR über einen Zeitraum von mehr als 3 Monaten unter 60 mL/min/1,73 m² spricht man dann von einer chronischen Nierenerkrankung (=CKD). Über die eGFR kann die CKD von deinem Ärzteteam in fünf Stadien (=G1-5) eingeteilt werden:
Was ist eine Progression?
Der Fortschritt der chronischen Nierenkrankheit und damit verbundene Abnahme der Nierenfunktion wird in Ärztekreisen oft auch als Progress bezeichnet. Dabei gibt es einige hilfreiche Instrumente mit deren Hilfe dein Ärzteteam feststellen kann, ob ein Progress der CKD vorliegt. Zu diesen Hinweisen zählen:
- Rückgang der eGFR um >25 % gegenüber dem Ausgangswert
- Abnahme der eGFR um >5 mL/min pro Jahr
- Übergang in ein neues CKD-Stadium
- Auftreten neuer Symptome (z. B. Müdigkeit, Wassereinlagerungen)
Was sind Risikofaktoren für einen Progress?
Nicht alle Menschen mit CKD erleben eine starke Verschlechterung der Nierenfunktion. In vielen Fällen bleibt die CKD oft über Jahre hinweg stabil. Es gibt jedoch einige Faktoren, die das Fortschreiten begünstigen.
1. Übergewicht
Ein überhöhter Body Mass Index (=BMI) – also ein starkes Übergewicht – ist einer der häufigsten Begleiter und Risikofaktoren. Gerade ab einem BMI von 30 kg/m² nimmt das Risiko für einen schnelleren Progress der CKD deutlich zu.
2. Bluthochdruck & Blutzucker
Auch ein dauerhaft schlecht eingestellter Blutdruck oder Blutzucker erhöht das Risiko deutlich. Besonders bei Diabetes kann ein zu hoher Blutzuckerspiegel langfristig die empfindlichen Filterstrukturen in deinen Nieren schädigen.
Bei Nierenkrankheit sollte dein systolischer Blutdruck optimalerweise auf unter 120 mmHg gesenkt werden. Der HbA1c-Wert, der Auskunft über deinen Blutzucker der letzten 2 bis 3 Monate gibt, sollte bei unter 6,5% liegen. In späteren Stadien der Nierenkrankheit werden teilweise auch höhere Werte (bis zu unter 8,5%) akzeptiert.
3. Eiweiß im Urin
Ein wichtiges Warnsignal ist außerdem eine erhöhte Konzentration oder Ausscheidung von Eiweiß über den Urin. Das wichtigste Eiweiß in diesem Zusammenhang heißt Albumin. Gelangt mehr Albumin aus deinem Blut in deinen Urin ist das ein Hinweis auf eine Schädigung der Nieren. Bei einer erhöhten Konzentration von Albumin im Urin spricht man von einer Albuminurie.
Um diese möglichst praktikabel zu messen, wird im klinischen Alltag häufig das Verhältnis von Albumin zu Kreatinin im Urin (=UACR) bestimmt. Dabei wird die Menge an Albumin im Urin ins Verhältnis zur Kreatininkonzentration gesetzt. Der UACR Wert gibt so Auskunft über das Ausmaß der Albuminausscheidung und ermöglicht eine Einteilung in die Stadien A1 bis A3, wobei das Stadium A3 (=Makroalbuminurie) für eine starke Albuminurie und damit für ein hohes Progressionsrisiko spricht. Beim Stadium A2 spricht man von einer Mikroalbuminurie. Im Stadium A1 liegt keine erhöhte Ausscheidung von Albumin im Urin vor und es besteht somit ein niedrigeres Risiko für einen Progress der CKD.
4. Medikationseinnahmen
Eine regelmäßige und korrekte Einnahme der verordneten Medikamente ist ein wichtiger Bestandteil, um das Fortschreiten einer chronischen Nierenerkrankung zu verlangsamen. Schwierigkeiten bei der Einnahme – sei es durch Nebenwirkungen, komplexe Einnahmeschemata oder Unsicherheiten – sollten offen mit dem behandelnden Ärzt:innen besprochen werden.
5. Lebensstil & andere Risikofaktoren
Bestimmte Verhaltensweisen können den Verlauf einer chronischen Nierenerkrankung ungünstig beeinflussen. Dazu zählen insbesondere Rauchen, Bewegungsmangel und unausgewogene Ernährungsgewohnheiten. Auch Infektionen oder chronische Entzündungen im Körper können die Nieren zusätzlich belasten.
Dein Verhalten spielt also eine entscheidende Rolle in der Verlangsamung der Progression der chronischen Nierenkrankheit. Die richtige Ernährung und ausreichend Bewegung sind nicht nur für deine Nieren, sondern auch für deine allgemeine Gesundheit von großer Bedeutung.
Kann man den Progress der CKD vorhersagen?
Ganz lässt sich der Verlauf der Erkrankung nicht vorhersagen, aber durch die Kombination mehrerer Risikofaktoren kann man eine Einschätzung treffen. Ein hilfreiches Werkzeug dafür ist die sogenannte „Kidney Failure Risk Equation“ (=KFRE). Dabei handelt es sich um eine Formel, über die das Risiko für eine Progression der chronischen Nierenkrankheit bis zum Nierenversagen (=Stadium 5) über die nächsten 2 und 5 Jahre geschätzt werden kann.
Diese Berechnungsformel nutzt individuelle Daten wie Alter, Geschlecht, eGFR und die UACR. Über diese Formel kann dein Ärzteteam also abschätzen, wie hoch dein Risiko ist, in den nächsten Jahren eine Dialyse zu benötigen. Je nachdem, wie hoch dieses Risiko ist, kann deine Therapie frühzeitig angepasst werden.
Wie schnell schreitet die Nierenkrankheit voran?
Das hängt davon ab, wie gut die Risikofaktoren kontrolliert sind. Es gibt Patienten, deren eGFR über Jahre hinweg stabil bleibt. Das entspricht fast dem natürlichen Alterungsprozess. In anderen Fällen zeigt sich ein schneller Abfall der eGFR von mehr als 5 mL/min pro Jahr. Das gilt vor allem bei unbehandeltem Bluthochdruck, Diabetes, Eiweiß im Urin oder Medikamentenpausen.
Grundsätzlich gilt: Eine chronische Nierenerkrankung schreitet vor allem in den frühen Stadien oft langsam voran. Wenn die Risikofaktoren gut kontrolliert sind, können viele Jahre vergehen, bevor es zu einem Fortschreiten und dem Übergang in das nächste Stadium kommt. Selbst ein Fortschreiten bis hin zur Dialyse, die bei einem Nierenversagen notwendig werden kann, dauert häufig Jahrzehnte und wird in vielen Fällen nie erforderlich.
Anders sieht es aus, wenn wichtige Risikofaktoren nicht gut eingestellt sind oder Medikamente nicht zuverlässig eingenommen werden. Dann kann sich die Nierenfunktion deutlich schneller verschlechtern und ein Fortschreiten in das nächste Stadium oder sogar bis zur Dialyse bereits nach wenigen Jahren eintreten. Wie schnell das genau geht, hängt zusätzlich davon ab, wie hoch deine Nierenfunktion zum Zeitpunkt der Diagnose ist.
Du siehst also: Eine pauschale Aussage ist kaum möglich. Aber wie verlässlich du die Therapieempfehlungen deines Ärzteteams umsetzt und wie gut es dir gelingt, gesunde Verhaltensweisen in deinen Alltag zu integrieren, spielt eine sehr wichtige Rolle. Du selbst kannst also viel dazu beitragen, dass deine chronische Nierenerkrankung nur langsam oder möglicherweise gar nicht fortschreitet.
Was schützt vor einer Progression?
Die gute Nachricht: Du kannst aktiv etwas tun, um den Fortschritt der chronischen Nierenkrankheit zu verlangsamen. Die stärksten evidenzbasierten Schutzfaktoren sind:
- Gut eingestellter Blutdruck (< 120/80 mmHg)
- Stabiler Blutzucker: individueller Zielwert je nach Nierenfunktion
- Eiweiß im Urin: Reduktion der Eiweißausscheidung (UACR) über Medikamente
- Regelmäßige Medikamenteneinnahme: Senkt das Risiko für eine Progression
- Gesunde Ernährung: Anpassung der Kochsalz- und Proteinzufuhr
- Regelmäßige Bewegung: Mindestens 30 Minuten moderat intensive körperliche Aktivität pro Tag
- Rauchen: Im Optimalfall einstellen oder reduzieren
Welche Medikamente helfen gegen die Progression?
In den letzten Jahren haben sich auch bestimmte Medikamente als besonders wirksam zum Schutz der Nieren erwiesen. Dazu gehören beispielsweise die SGLT2-Inhibitoren, die ursprünglich zur Behandlung von Diabetes entwickelt wurden, inzwischen aber auch nachweislich das Fortschreiten der CKD verlangsamen – selbst bei Menschen ohne Diabetes.
Auch Nicht-steroidale Mineralokortikoidrezeptor-Antagonisten (=nsMRAs) und GLP-1-Rezeptoragonisten, die besser als “Abnehmspritzen” bekannt sind, können bei bekannter Zuckerkrankheit eingesetzt werden, um den Progress der Nierenkrankheit zu verlangsamen. Das gilt vor allem bei einer hohen Eiweißausscheidung.
Welche dieser Medikamente für dich geeignet sind, hängt unter anderem vom Stadium deiner Nierenkrankheit und deiner Gesamtverfassung ab. Dein ärztliches Team wird gemeinsam mit dir entscheiden, was in deinem Fall sinnvoll ist.